„Ich kenne eine Polizistin“, sagt die Frau eines ehemaligen chinesischen Diplomaten, „das wäre doch was für Sie.“ Ich hebe neugierig die Brauen. „Natürlich.“ Eine Polizistin hatte ich noch nicht. „Sie hat ein Kinderdorf gegründet“, fährt die Dame fort und freut sich, dass sie mir weiterhelfen kann. Ich stutze. „Ein Kinderdorf?“ Dann dämmerts. „Ach! DIE Polizistin!“ Ich weiß Bescheid. So klein kann Peking sein. Gemeint ist die inzwischen sehr populäre Gründerin der sogenannten Sonnendörfer mit Hauptsitz in Peking. Zhang Shuqin. Eine Frau und Kämpferin für im wahrsten Sinne verlorene und vergessene Kinder, Kinder, die derart unerwünscht sind, dass sie sowohl aus dem Rahmen von Familienfürsorge als auch aus der Obhut der Regierung fallen. Es sind Kinder, die nicht selbst schlecht sind. Natürlich. Ihre Eltern taten Schlechtes und sind nun im Gefängnis, verbüßen eine gerechte Strafe oder warten auf ihre Hinrichtung. Die Rechnung ist leicht. Millionen Verhaftungen im Jahr, Millionen von obdachlosen Kindern von einem Tag auf den anderen … In Deutschland kennt man den Spruch: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm und man schaut kritisch auf die Nachkommen. In China hat man in früheren Zeiten darum schon mal vorsorglich ganze Sippen ausgelöscht. Freilich macht man das heute nicht mehr. Aber die Kinder zum Erhalt des guten Systems sich einfach ihrem Schicksal und der Verwahrlosung überlassen, kommt dem erscheckend gleich.

Für Zhang Shuqin war dieses Dilemma nicht mehr zu ertragen gewesen und aus reinem Mitgefühl und privater Intitiative begann sie zäh und ausdauernd eine Bewegung in Gang zu setzen, den von Staat und Gesellschaft ausgestoßenen Kindern neue Heimat und Ehre zurückzugeben. Mit Erfolg.

Schon zwei Jahre zuvor hatte ich das Pekinger Sonnendorf besucht, ließ mich bewegen von Ort und Geist des groß angelegten Unternehmens. Habe mit den kleinen Kindern gespielt, mich herumführen lassen, den obligatorischen Film über die Entstehungsgeschichte geguckt und mir über das Leben vor Ort von einem der Helfer berichten lassen. Ich erfuhr einiges, doch nichts von der Gründerin selbst, nichts als das Obligatorische, das man über sie in der Presse schon lesen kann. Denn leider war Zhang Shuqin am Tag meines Besuches nicht vor Ort. Ein Gespräch mit ihr nun nachzuholen, ist eine gute Gelegenheit, mehr über jenen besonderen Ort zu erfahren und auch zu prüfen, wie eine neuerliche Begegnung mit dem ersten Eindruck standhält.

Nach einer langen Taxifahrt in den äußeren Kreis Pekings gelange ich also mit meiner Dolmetscherin Shasha erneut in das große Gelände. Ich erinnere mich noch. Hier war dies. Hier war das… aha… Shasha, guck mal!

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©️SimoneHarre

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Es ist zehn Uhr morgens und wir sind genau pünktlich in der Empfangshalle des Sonnendorfes. Eigentlich. Nur… dort hat noch keiner Zeit für uns. Frau Zhang Shuqin steht geschäftig in einer Traube von Fernsehleuten mit dicken Kameras und kümmert sich um Kinder, die sich gerade für einen Tanz parat machen. Die Kleinen sollen poussieren. Entenmarsch und Powackeln, Arme recken und moderne Beats tanzen. Eine Show für mehr Spenden. Zhang Shuqin ist Presseprofi. Hier wird es live illustriert. Irgendwie muss das Geld für die Kinder halt reinkommen. Es dauert sehr lange bis der Tumult beendet ist, die Kinder sich wieder zurückziehen dürfen und die Dame sich hoheitsvoll zu uns an den Tisch setzt, angespannt und nur halb bei der Sache, denn wir sind, wie wir bald merken, nur ein Zwischentermin. Nach uns wird ein junger Popstar erwartet, ein großer Spender. Ganz wichtig. Da aber jeder Interviewpartner ein potenzieller Dominostein in der Medientrommel der 67 Jahre alten Expolizistin sein könnte, beantwortet sie dennoch geduldig alle meine Fragen… Und das ist ein Glück, denn ihre Infos gehen tatsächlich weit über das Kinderheim als solches hinaus und stattdessen mitten hinein in ihre eigene Geschichte. So erfahre ich schnell, dass anders als ausführlich in der Presse, sogar in ihrem eigenen Heimfilm dargestellt, auch von ihrer Freundin so benannt, sie gar keine Polizistin ist. Niemals gewesen war. Ein wichtiges Detail. Vielleicht klingt Polizistin spektakulärer, folgerichtiger, auf jeden Fall pressewirksamer… und das ist wohl auch der Grund, warum Zhang Shuqin selbst diese Variante eher vertieft hat, statt jemals eine Klarstellung zu versuchen. Auch jetzt, da ich sie darauf anspreche, sagt sie nur recht desinteressiert: So, ach, das steht in der Presse…? In der Tat hat sie zwar Mitte der achtziger Jahre in einem Gefängnis gearbeitet, hat die Not der zurückgebliebenen Kinder von Straftätern und auch die der verzweifelten Eltern immer wieder miterlebt, aber nicht als Polizistin, sondern als Chefredakteurin. Auch der tiefere Grund für ihr beherztes Engagement, die Sensibilität zum Eingreifen, geht nicht etwa auf dieses konkrete Erleben zurück, wie so gerne geschildert wird, sondern vielmehr auf den Zeitraum davor, die Kulturrevolution, also jene Zeit, über die man in China nicht so gerne spricht. Vor allem, wenn es auch anders geht. Das geht es freilich und die Fallhöhe einer Polizistin ist auf jedenfall medienwirksamer und obeflächlich schlüssiger, aber mir gefällt die Wahrheit wesentlich besser, auch wenn es hier nur spitzfindig um ein Detail geht. Aber es ist das Detail, das die Seele des Engagements enthält und nicht zugunsten einer Pressepropaganda völlig überschrieben sein sollte.

Also die Geschichte von Frau Zhang Shuqin…, endlich ist es soweit, ich räuspere mich, will fragen … doch, kaum, da wir die ersten Sätze gewechselt haben, werden uns Nudeln in Plastikschüsseln auf den Tisch gestellt. Frau Zhang hat Hunger. Und das Aufschlürfen der Nudeln in traditioneller Pekingsoße dauert. Die Zeit tickt. Aber mit dem vollen Magen kehrt die Aufmerksamkeit von Zhang Shuqin zurück und sehr offen beantwortet sie die Rahmendaten zu ihrem Leben. Interviews sind ihr geläufig.

Zhang Shuqin ist, wenn ich aus einem Wirrwarr von zum Teil sich widersprechenden Zahlenzuordnungen die richtigen Schlüsse gezogen habe, 1950 geboren. Als junge Frau hat sie chemische Medizin studiert, was mehr der Medikamentenkenntnis als der medizinischen Anwendung nahe ist, und arbeitete daraufhin als Krankenschwester, was wiederum gefährlich nah an den Dienst eines Arztes heran reicht und der Grund dafür ist, dass sie, wie alle Intellektuelle und Ärzte, bei Ausbruch der Kulturrevolution aufs Land verschickt wurde. Ihr Einsatz sollte auf dem Acker sein. Aber als man sich ihrer medizinischen Grundkenntnisse gewahr wurde, machte man sie lieber zur Dorfärztin. Was sie hierfür zusätzlich wissen musste, lernte sie aus einem Handbuch über westliche Medizin. Sie sagt:

„Ich habe ein Gen, das macht, dass ich möglichst viel lernen möchte.“

Und so verstand sie die turbulenten Jahre als eine Herausforderung, an der sie reifte. Bis sie eines Tages Mitte der siebziger Jahre in ein fern gelegenes Bergkrankenhaus geschickt wurde. Der medizinische Zustand dort war katastrophal. und Zhang Suqin entsetzt. Die Menschen litten unter bitterster Armut. „Ich habe Frauen gesehen, die entbanden ihre Babys im Schweinestall“, sagt sie. Und: „Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen, geboren in Shanxi, das war auch hart, eine sehr arme Provinz, aber verglichen mit dieser Situation, war das nichts.“ Es gab also jede Menge dort zu tun und so blieb sie sieben Jahre, bis 1983, und half im Rahmen ihrer Möglichkeiten. „Das alles hat mich sehr geprägt!“, sagt sie heute, mehr noch: Es hat den Grundstein für ihr Mitgefühl gelegt, wie sie sagt, und auch ihr Wertesystem neu begründet. Von unten betrachtet sehen Lebensläufe von Menschen ganz anders aus. Sie war nah an Volk und Geschehen. Und ganz nebenbei musste sie ihr eigenes, persönliches Schicksal meistern. Um ihre Eltern zu entlasten, stimmte sie früh einer Ehe mit einem Mann zu, den sie nicht liebte. Dennoch entwuchsen dieser „Distanz-Beziehung“ zwei Kinder. Das erste Kind, eine Tochter, bekam Frau Zhang mit 21 Jahren. Es war das Jahr 1969. Nach einem Jahr musste sie ihre Tochter an ihre Schwiegermutter abgeben. 1974 brachte sie ein zweites Kind zur Welt, konnte aber die erste Tochter wieder zu sich nehmen. Erst nach acht Jahren ließen sich beide einvernehmlich scheiden. Ein Meilenstein der Selbstbestimmung. Irgendwann in dieser Zeit begann Zhang Suqin außerdem ihre Erlebnisse niederzuschreiben und diese auch zu veröffentlichen. 1983 verließ sie das Bergkrankenhaus und wurde Redakteurin beim Gesundheitsministerium. Dort blieb sie ein Jahr. In dieser Zeit besuchte sie einmal ein Gefängnis. Sie war verblüfft über die Sauberkeit der Einrichtung und schrieb einen Artikel darüber. Das wiederum las das Polizeiamt, dachte nach, kam auf die Idee, selbst eine Pressestelle einzurichten und diese… es liegt auf der Hand… mit Zhang Shuqin zu besetzen. Zhang Suqin, wieder neugierig, witterte Schreibstoff und nahm darum das Angebot gerne an. Sie hatte nur einen Wunsch:

„Ich möchte auch eine Polizeiuniform tragen dürfen.“

Das hat hat man ihr gewährt. Und hier beginnt wohl der Mythos von der Polizistin, die einst eine Krankenschwester war oder Ähnliches und nun Chefredakteurin wurde, schreibend, über die Insassen des Gefängnisses, beiderlei, Gefangene und Polizisten. Die Gefangenen selbst durften auch Artikel schreiben. „Damit konnten sie die Länge ihrer Strafe verkürzen“, sagt sie. Sie durften sogar die Texte von Zhang Shuqin gegenlesen und sie absegnen oder nicht. Zusätzlich zu den Artikeln schrieb Frau Zhang noch ein Theaterstück über das Leben im Gefängnis. Dies wurde sowohl aufgeführt als auch verfilmt. Sie selbst spielte die Richterin. Doch was anfangs wie eine Realromantik von ihr zu Papier gebracht wurde, mit Geschichten, in denen Straftätern in hehrer Moral glänzen und zu guten Menschen werden, nahm immer ernstere und betroffene Züge an. Spätestens dann als die Insassen des Gefängnis endgültig begriffen, dass sie es hier mit einer mitfühlenden Person zu tun hatten und daher begannen, Zhang Shuqin vermehrt ihre tragischen Geschichten zu erzählen, vor allem aber über den Verlust ihrer Kinder weinten. Wo waren diese? Wie geht es ihnen? Die Ungewissheit war das Quälenste.

Die ersten Eltern warfen sich ihr zu Füßen und flehten darum, sie möge nach deren Kindern suchen. Weitere folgten und endlich wurde Zhang Shuqin das Problem deutlich: Kinder, die zurück bleiben, weil ihre Eltern ins Gefängnis müssen, dürfen in kein Heim, sind nicht Waise, sind Niemandskinder. Nach drei vergeblichen Jahren, auf diese Situation positiv einzuwirken, die Regierung zum Handeln zu bewegen, und nach ersten Versuchen, verlassene und streunende Kinder aufzufinden, war sie selbst der Verzweiflung nahe. Sie kündigte ihre Arbeitsstelle und wurde nun richtig aktiv. Der Umgang mit den Medien war ihr schon vertraut. Sie machte Werbung und suchte jede Pressekonfrontation. Aber der Erfolg blieb ebenso aus wie das Geld und auch die Regierung schaute weiterhin weg. Also gründete sie eine eigene Firma. Eine Fabrik für Ziegel. Aus dem Gefängnis entlassene Männer sollten dort arbeiten. Hat nicht geklappt. Dann eine Kleidungsfirma, Motoren, Türen immer wieder neue Anläufe. Immer tot geborene Versuche. Wenigstens aber festigte sich allmählich eine Basis von Spenden. Und der Bau des ersten Sonnendorfes konnte seinen Lauf nehmen. Weitere folgten dank der beharrlichen Pressearbeit. So ist das bis heute. Das Heim trägt sich fast ausschließlich durch Sponsoren und Stiftungen. Die Gründung der Dörfer ist zwar eine Erfolgsgeschichte, doch kann es nur bleiben, wenn die Öffentlichkeitsarbeit nicht nachlässt. Immerhin, die Regierung nimmt inzwischen Notiz und die Menschen auch. Sie kommen zu Besuch und schauen

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und spenden. Momentan leben 113 Kinder im Sonnendorf in Beijing. Nur 63 von ihnen sind in Beijing geboren. Pro Kind ist im Jahr eine Summe von 5000 Yuan aufzubringen. 500 Yuan bekommen die Kinder, welche bei Angehörigen betreut werden. Eine Wohneinheit beherbergt 8-13 Kinder plus Betreuer. 50.000 Yuan gibt das Budget für Renovierung her, Feuerschutz und regelmäßige Desinfektion. Es gibt insgesamt 10 Wohneinheiten, für drei von ihnen reicht das Geld. Die Sponsoren, viele auch aus dem Ausland, sind oft nur sporadisch aktiv. Vereinzelt beteiligen sie sich an den Fixkosten, doch es ist nicht einfach, die Gesamtsumme des jährlichen Überlebens, Heizkosten, Schulgebühren, Essen etc. zu sichern. Immerhin: Daimler Benz hat sich eingebracht, der Präsident der Handelskammer von Dänemark und auch die schwedische Königin war schon mal da. Die hat sogar so viel gespendet, dass davon direkt zwei weitere Dörfer gegründet werden konnten. Es arbeiten viele Ehrenamtliche für wenig Geld mit und auch die Kinder selbst müssen an der finanziellen Situation mitwirken: Mal tanzen für einen guten Zweck wie heute morgen oder… wie am Nachmittag, bei einem Behinderten-Tischtenniswettbewerb, die Bälle aufheben. Die Kinder sind gut aufgehoben und leben geradezu idyllisch, doch eine richtige psychologische Betreuung gibt es nicht. Zwei Mal im Jahr nur können sie einen Therapeuten besuchen. Mehr ist finanziell nicht drin. Zhang Suqin sagt:

„Dreißig Prozent der Kinder sind stabil. Vierzig haben Wutausbrüche. Der Rest ist schwierig, introvertiert.“

Manche Kinder dürfen nach kurzer Zeit tatsächlich wieder zu ihren Eltern zurückkehren. So wie diese, die ich beim letzten Mal auf dem Arm hatte. Zhang Shuqin schaut auf meine Fotos. „Ja, die sind nicht mehr da“, sagt sie mit einem kurzen Kopfnicken. Doch für zehn Prozent der Kinder wird es das niemals geben, das sind die Kinder der Todeskandidaten. Einmal im Monat finden Gruppengeburtstage mit Kuchen ohne Geschenke statt. Nur an Weihnachten gibt es ein kleines gesponsortes Präsent. Größere Kinder bekommen 10 Yuan Taschengeld im Monat, kleinere fünf Yuan, mehr können sie bei der Hilfe in der Landwirtschaft erwerben. Das Geld wird dann meist gespart und für die Besuche bei den Eltern aufgehoben. Die Gefängnisse haben die Verhältnisse gelockert und so können die Kinder theoretisch mit den Eltern öfter als früher telefonieren, größere Kinder machen dies nicht mehr gerne. Sie wollen das Gefühl eines normalen Lebens haben. Nur die Todeskanditatenkinder sind von allem ausgeschlossen. Sie lässt man diskret im Ungewissen. Die Unterstützung der Kinder erfolgt bis zum Abschluss der Studiums und danach verliert sich meist die Spur,. „Das ist bedauerlich“, findet Frau Zhang. Kaum ein Kind meldet sich wieder. Die Dokumentation bricht ab. Warum? Zhang Shuqin zuckt mit den Schultern. Sind die Kinder nicht dankbar? Ich wundere mich auch. Ist der Ort zu groß für Liebe? Gibt es zu viel Rummel? Möglich, doch derlei Fragen gibt sich Frau Zhang gar nicht hin. Sie hat anderes zu tun. Sieben Dörfer wollen versorgt sein. Und sieben Dörfer klingt nach einer beachtlichen Zahl. In Wirklichkeit ist diese Zahl gemessen an der Summe betroffener Kinder leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch der kleinste Tropfen ist wertvoll. Deswegen wurde Zhang Shuqin auch für ihren Einsatz und das 23jährige Jubiläum ihrer Arbeit erst gestern groß gefeiert, -wieder so eine pressewirksame Gala-, gesponsert von einem Hotel, das die Kinder einmal im Jahr zum Essen einlädt. Titel der Veranstaltung: Dankbarkeit! Dankbar auch um ein sehr informatives Gespräch verlassen wir an diesem Mittag das idyllische Gelände, der Superstar schmeißt uns quasi raus. Wir fühlen uns ein wenig merkwürdig. Das Bunte und Freundliche dieses abgelegenen, friedlichen Ortes mit seinen Bioäckern, wo die Kinder Gärtnern und Selbstverantwortung erlernen sollen, die liebevollen Zeichnungen an den Häusern, engagierte Helfer und gestapelten Koffer voller Geschenke, all das ist in Wirklichkeit Zeugnis eines sehr hartes Lebens, das auf dem zerbrechlichen Rücken eines einzelnen, aktiven Menschen ruht, eines Menschen, der aus seinem Mitgefühl einen Riesenpressewirbel gemacht hat, um den Fortgang der Hilfe zu sichern. Ein Mensch, der versucht, immer größer zu werden, um immer mehr Kinder retten zu können, und dabei aber auch von einem dem Einzelnen Zugewandten zu einer Maschinerie geworden ist. Zwangsläufig. Frau Zhang ist schon lange nicht mehr zum Anfassen für die Kinder. Vielleicht ist es das, was wir als Dilemma empfinden, als wir an diesem Tag das Gelände verlassen, einfach zu sehen, dass allein die schiere Zahl der Notdürftigen im ganzen Land und das fehlende Geld es ungmöglich machen, mehr zu geben als die wohl meinende und gut strukturierte Verwahrung, inclusive freundlich und sozial gesinnter Helfer. Es ist schwer in Worte zu fassen. Denn was uns bewegt, hat nichts mit dem Ort an sich zu tun, dieser Ort ist wunderschön und liebevoll gestaltet und das Engagement beispiellos. Es hat damit zu tun, dass es diesen Ort gar nicht geben dürfte. Und es daher schwer zu sagen ist, ob diese Kinder nun Glück haben oder nicht.

©️ http://www.china-blog.simone-harre.de

In Ergänzung:

Not leidende Kinder in China oder wie viel ist die Würde des Menschen wert?

Chinas Niemandskinder

Diesen Text schrieb nach meinem ersten Besuch im Sonnendorf

Das Sonnendorf in Peking: Ein Ort der Niemandskinder.

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