China, diese noch immer in sich geschlossene Gesellschaft, ist für diejenigen, die nicht in irgendeiner Art von Beziehung dazu stehen, ein Land der Bilderbücher, Träume, akademischer Bildung, Ort flüssigen Geldes oder schlicht politischer Ansicht. Es ist in keinster Weise gefällig,  vereint spielerisch größte Gegensätze, ist schöpferisch und rückwärtsgewandt zugleich, spricht kein Englisch, bietet keine Spiritualität für Touristen, keine Wellness und sowieso keine gute Luft.  China ist weiter weg als Thailand, Vietnam oder Indien, weiter als der entfernteste Punkt von uns, wird gerne Hochglanz fotografiert, in intellektuellen Gruppen bereist und ist doch nichts weiter als Spielfeld ausgiebiger Kritik. Aber das Schlimmste und absolut unverzeihbar: Die Chinesen essen das Liebste, das wir auf Facebook posten: unsere Haustiere. Oder doch nicht? Jedenfalls ist China irgendwie unerreichbar, in jedem Falle politisch und sozial indiskutabel. Und irgendwie herrscht ein breiter Konsens, es bei dieser Einstellung bleiben zu lassen.

Dabei kann es sehr nützlich sein, wenn wir verstehen, von was etwa chinesische Milliardäre getrieben sind, wenn sie die Welt einkaufen gehen, warum das Glück der Menschen erst mit frühestens fünfzig beginnt, Jesus groß in Mode ist, kleine Mädchen Ärztin werden wollen und große Mädchen von ewiger Jugend träumen, dies aber andere Antworten bereithält als wir erwarten. Auch kennen wir nicht die langen, stillen Abende der Alten und die Ängste der Jungen. Wir wissen nicht um die Hilflosigkeit eines seit Jahrtausenden zurückgedrängten Ichs, das sich suchend im Neonlicht der Hochhäuser verfängt und sich in der Unberechenbarkeit der Regierung zu einem Verfolgungswahn auswächst. Wir  kennen auch nicht die Sehnsucht nach einem lieben Wort, die Traurigkeit um all das Verlorene an Gut und Natur und oder schlicht die chinesische Vorstellung eines zufriedenen Lebens? All dies kennen wir nicht, aber es würde uns helfen, ein Land, mit dem wir Geschäfte machen, zu verstehen, statt es voreilig und im Maßstab unserer eigenen Entwicklung zu kritisieren.

Leider verselbständigen sich Vorstellungen und Bilder im Laufe der Zeit mehr und mehr und suggerieren uns doch Wirklichkeit, führen aber wenig zu einer konstruktiven und langfristigen Beziehung auf beiden Seiten. Auch oder besonders dann, wenn diese vor allem wirtschaftlicher Natur ist. Und leider kehren diejenigen, die ihre Aktenkoffer in chinesische Geschäftszimmern ausbreiten eher mit Anekdoten als mit Wissen über die Chinesen nach Hause.

China, du bist komisch… aber du bringst Geld.

Das in etwa ist das Niveau unserer menschlichen Basis. Und so ist China bis heute vor allen Dingen eines: Ein Land, das wir blind betreten.

Natürlich gibt es auch diejenigen, die sich die Mühe machen, den Blick vom Geschäftstisch zu heben, welche die Menschen ansehen, sie kennenlernen. Und sich wundern. Das sind dann diejenigen, die man in den Flughafenhallen mit einem seltsamen Glanz in den Augen trifft, eine Mischung aus Scham, Verstörung und Freude und es sind die, welche uns zu Hause, statt von einem Kulturschock, eher von einem Wirklichkeitsschock berichten. Das hat wenig mit einer Verklärung Chinas zu tun als vielmehr mit der Tatsache, dass China einfach immer anders ist als man denkt.

Diesem Mangel an wirklicher Kenntnis jenseits politischer Ansichten und wirtschaftlicher Transfers gilt es meiner Meinung nach dringend einen Augenmerk zu schenken. China ist groß und wird größer und greift in unser aller Leben. Ich finde, wir sollten uns die Mühe machen, es von der menschlichen Seite aus kennenlernen zu wollen, so wie es ist und warum es ist.

Meine Arbeit, Ergebnis vieler Interviewreisen durch China, gibt hier eine ungewöhnliche Gelegenheit, anhand literarischer Portraits in den Alltag der Chinesen Leben um Leben tiefer einzutauchen und so das uns so ferne Land der Mitte ein wenig näher und fühlbarer werden zu lassen.

Was also macht die Chinesen glücklich? Wonach sehnen sich sich?

Lest und staunt und lasst euch überraschen!

Eure Simone

©️ http://china-blog.simone-harre.de

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