Wang Binbin, 40 Jahre, NGO und Klimaretterin

Wir treffen Wang Binbin im Pekinger Nordwesten in einer Fußgängerzone. Sie kommt vom Shoppen mit ihrem Sohn. In ihrer Hand Hefte für die Schule und Goldfische in einer Plastiktüte. Zum Abschluss des Mutter-Sohn-Tages soll es nun eine Pizza geben. Das hat sie ihrem Sohn versprochen. So kommt es, dass wir bald zusammen an einem Tisch, statt zu chinesischem Essen, in einer amerikanischen Pizzeria sitzen. Der Sohn ist sehr artig und still, macht seine Schulaufgaben, malt, blickt manchmal auf den Flachbildschirm an der Wand, wo in Endlosschleife chinesische Jongleure ihre Tricks feilbieten und packt zum Schluss zwei deutsche Überraschungseier chinesischer Variante aus. Der Tag hat sich gelohnt. Der Inhalt der Eier so wenig wie in Deutschland.

Wang Binbin ist eine sehr fröhliche und aufgeweckte Person, die sich gerade ein sogenanntes Gap-Jahr leistet. Sie hat Zeit. So empfindet sie das, obgleich sie das Jahr außer für Nichtstun dafür nutzt, einen Postdoktor an einer Pekinger Universität zu machen, School of International. Ihr Thema ist Klimaänderung und Umweltverwaltung, bzw:

Wie wird in anderen Ländern das Klimaproblem angegangen und wie kann man die Ideen bündeln?

Mit dieser Forschung setzt sie fort, wofür sie sich schon lange engagiert. Zehn Jahre lang hat sie als Journalistin in verschiedenen medialen Bereichen gearbeitet. Das Thema Umwelt begleitete sie von Anfang an. Die Arbeit beim Fernsehen war anstrengend, die später bei einem Travellermagazin zwar komfortabel, „hatte aber wenig mit Realität zu tun,“ so Wang Binbin. Die Wende im Lebenslauf kam 2008, als es in China ein schweres Erdbeben gab. Binbin war arbeitend vor Ort. Mit ihr eine sehr engagierte und von Wang Binbin bewunderte Gruppe von NGOs, eine Nicht-Regierungs-Organisation, die jedoch bis zu diesem Zeitpunkt eine noch wenig bekannte und noch weniger beachtete Truppe war. Auch Oxfam mischte mit, suchte eine Autorin und Wang Binbin heuerte an. Seither weiß sie wie die Dinge an vorderster Front aussehen und wie man sie ändern kann. Sie erlebte wie mit einer Chaos-Situation umgegangen wurde und vor allem wie die NGOs endlich aus ihrem Existenzschatten in die öffentliche Aufmerksamkeit gezogen sind. Geschickt wussten diese damals die Situaiton für sich zu nutzen und waren vor Ort die einzigen, welche den Journalisten kundig Informationen weiter vermitteln konnten. „Das ist der Grund, warum 2008 unter den NGOs als die Stunde 0 gilt“, sagt Binbin. Gleiches gilt für die Journalisten. „Auch für die war dieses Ereignis wie eine Art Gehirnerschütterung. Es war der Moment, in dem in China erstmals ein Bewusstsein für die Umwelt wachgerufen wurde.“ Ein in jeder Hinsicht historisches und weitreichendes Ereignis also. Nur noch nicht für die Regierung. „Gewohnt, Erlasse von oben nach unten zu erteilen, brauchte sie zum Umdenken erst noch eine weitere Katastrophe“, erzählt Binbin. Jene Sternstunde kam 2009 während der Kopenhagener Klimakonferenz, zu der auch Wang Binbin von Oxfam geschickt wurde. Die Klimakonferenz von 2009 war sehr besonders, denn erstmals nahm der chinesische Premierminister daran teil. Ziel war, ein verbindliches Konzept zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes zu entwickeln und die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bis zum Jahre 2050 zu begrenzen. Doch die Konferenz entwickelte sich zum Fiasko. Die Entwicklungsländer sahen die Verantwortung bei den Industriestaaten und die Industriestaaten hatten wenig Lust die Entwicklungsländer zu unterstützen. Außerdem konnte sich China nicht mit den USA einigen und wurde daher offiziell zum Sündenbock erklärt. So die Einschätzung von Binbin. „Und das war war unfair!“, findet sie. „Ich war ja dabei. Ich habe die Verzweiflung der chinesischen Regierung miterlebt.“ Sie sah, dass die Regierung zwar guten Willens gewesen war, jedoch, da nicht genug fachkundig instruiert, handlungsfähig blieb und obendrein Schwierigkeiten hatte, mit der westlichen Medienkommunikation umzugehen. Man kann also sagen, den Chinesen brachte 2009 die Erkenntnis, die Umweltsituation ist nicht nur ernst und China trägt an ihr fortan eine große Mitverantwortung, sondern vor allem: Hier braucht es Fachleute. „Seither kommt man beim Thema Umweltschutz auch hier nicht mehr um die NGOs herum“, sagt Wang Binbin froh. Die NGOs sind nun beteiligt am Erlass von Gesetzen und überwachen ökologische Projekte. Um zusätzlich dafür zu sorgen, dass ein Fiasko wie 2009 nicht wieder passiert, gründete Binbin 2010 eine Plattform, auf der NGOs, Regierungsvertreter und Presse, die Möglichkeit hatten, sich auszutauschen. „Acht Jahre habe ich so den Wandel der Regierung miterlebt“, sagt Binbin. Und sie freut sich, denn: „Jetzt gibt es endlich auch die Richtung von unten nach oben durch die NGOs.“ Ein positiver Schritt für die weltweite Zukunft. In ihrer Forschungsarbeit fragt sie daher:

Lässt sich der Wandel der zwei Richtungen auch auf andere Länder und Projekte übertragen?

Ihr Schlüssel für den Fortschritt bei dem Thema ist die Kommunikation. Der gegenseitige Austausch. Dafür sorgt sie auch beim „Projekt Seidenstraße“, an dem sie beteiligt ist. Das soll „grün“ sein, so die Vorlage von der Regierung. „Umweltfreundlich.“ Doch wie? 2013 rief Binbin auch hier gemeinsam mit der UN ein Entwicklungsprojekt ins Leben, eines, das die verschiedenen daran beteiligten Organisationen zur Zusammenarbeit einlädt. „Südkooperation, so nennt man das bei Entwicklungsländern“, sagt Wang Binbin. „China hilft hier jetzt Ländern, die noch schlechter dastehen.“ Sie ist also unermüdlich. Ein kleines chinesisches Rädchen mit großer Wirkung und stolz auf ihren nicht unerheblichen Beitrag zum Umdenken Chinas in Sachen Klimawandel. Es freut sie natürlich, dass das die Regierung nicht nur bemerkt hat, sondern sie für ihre Projekte auch geehrt und augeszeichnet hat. Vor allem ist dies ein Umstand der Befriedigung, der etwas Ruhe in ihr Leben und Streben gebracht hat und erklärt, wie sehr sie es genießt, einfach mal die Hände voller Goldfische und deutscher bzw. chinesischer Überraschungseier zu haben.  Und sie ist sich sicher: „Ich war immer nur workaholic und habe lange hart gearbeitet, Aber jetzt wird mich keiner mehr so schnell vergessen, wenn ich wieder arbeiten will.“

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©️SimoneHarre

Wenn … Denn im Moment ist sie einfach mal nur vorrangig Mutter zweier Kinder und wird dabei obendrein noch von ihrem Vater unterstützt, der zu ihr gezogen ist. Der Großvaterpflicht eingedenk. Binbin ist in Shandong auf dem Land in einem kleinen Dorf aufgewachsen. „Ich kenne die verschiedenen Gesichter Chinas“, sagt sie. „Meine Eltern waren arm, aber es war zuhause immer harmonisch.“

So soll es auch in ihrer Familie immer sein und bleiben: Eine harmonische Struktur. Binbin, so kann man sagen, hat sich mit viel Fleiß und Leidenschaft im Leben Chinas eingerichtet und es sogar vorangebracht. Ein Glück.

©️ http://china-blog.simone-harre.de

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