John Ma, 44 Jahre, Chefkoch des Fairmont Peace Hotels in Shanghai.
Leidenschaft geht durch den Magen?
Auf der ganzen Reise war eine Sache absolut dominant: das Essen! Essen in tausend bunten Farben und Geschmacksvarianten und immer großartig, egal ob am noblen runden Tisch oder am Wegesrand. Und so denke ich, im Auto sitzend, sinnierend, und auf dem Weg nach Shanghai: Wenn Liebe durch den Magen geht, wie man in Deutschland sagt, dann muss China eigentlich… eine einzige Liebeserklärung sein! Und dann müssten die Köche folglich… hmm, also das wollte ich genau wissen und ich sagte: „Ich will einen Koch.“ Ich fand auch einen. Einen ganz besonderen: den Chefkoch des sehr exklusiven und sehr berühmten Fairmont Peace – Hotels in Shanghai.
Wir nehmen Platz in einer oberen Etage in opulenter Sofagarnitur und ich stelle direkt die Kernfrage: „Macht das Kochen den Chefkoch glücklich?“ Ich blicke John erwartungsfroh an. Aber John Ma, vierundvierzig Jahre alt, ganz in Kochweiß gehüllt und gespickt mit einem riesigen Kochhut, bleibt beunruhigend regungslos angesichts dieser ultimativen Frage. Endlich öffnet er den Mund. Er zögert. Inzwischen… ja… gefalle es ihm. …
Und die Leidenschaft? So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wenigstens bestätigt John, dass nicht die Technik einen guten Koch ausmache, sondern das Herz, in der Tat, aber aus Liebe zur Kochkunst habe er diesen Beruf wirklich nicht gewählt. „Ich wollte möglichst früh Geld verdienen. Ich wollte ins Ausland reisen können. Und Ende der Achtziger waren Köche gefragt.“ Also wurde er Koch.
Anfangs hat er in vielen unterschiedlichen Restaurants gearbeitet. Häufig musste er Schlange zubereiten, am liebsten isst er Meeresfrüchte, am wenigsten schätzt er die westliche Küche. Er hat es weit gebracht in seinem Beruf, aber nochmal würde er nicht Koch werden wollen. „Man hat sehr viel Druck“, sagt er. Nur was dann…? Er weiß es nicht. Schriftsteller vielleicht. Er hat einen Traum:
„Darin habe ich ein Haus und ein Hund, ich schreibe und niemand stört mich.“
An diesem Traum arbeitet er bereits ganz konkret. „In zehn Jahren höre ich auf“, sagt er. „Dann mache ich ein kleines Hotel auf in einer Villa in der Nähe von Shanghai.“ Das Haus hat er schon. Das Geld auch, weil er einer der ersten war, der mit Aktien spekuliert hat. Inzwischen ist er im Fairmont Peace weniger mit der Küche als vielmehr mit der Verwaltung betraut. Und in der Verwaltung möchte er erreichen, dass das Gute des Essens human und mit Liebe weitergereicht werden kann. „Das Personal soll wissen, dass ich auf es aufpasse und achte.“ Aber der Beruf ist nicht sein Leben. Daheim bei Frau und Tochter erzählt er nichts von der Arbeit. „Man muss Freizeit haben, Zeit für Freunde und Familie.“ Und da gehört der Alltag der Arbeit nicht hin. Am liebsten liest er in seiner Freizeit Kochbücher oder Wirtschaftsbücher. Er mag Barock, hört Chopin und schaut gerne amerikanische Serien, wie zum Beispiel house of cards. Er steht auf Geschichten von Menschen, die hart arbeiten und etwas durch eigene Stärke erreichen. So wie er.
„Mein Glück ist, dass ich immer Neues erfahren möchte. Dass ich einen Plan fürs Leben habe.“
Und Glück ist auch: „Wenn ich in Deutschland mit meinem Auto Vollgas fahren kann.“
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