Xiao Yu, 24 Jahre

Wir finden Xiao Yu in einem Vergnügungslokal in Lijiang. Unser Dolmetscher Wang Bo fasst sofort Vertrauen und Sympathie zu dem jungen Chinesen. „Er lächelt viel“, sagt er. „Er ist offen. Lasst uns ihn fragen.“

Xiao Yu hat nichts gegen ein Gespräch und wir verabreden uns mit ihm am frühen Nachmittag während seiner Arbeit. Da ist noch nicht viel los und er kann sich einen Augenblick Zeit nehmen. Das Lokal ist das älteste und erste in Lijiangs Altstadt gewesen. Es ist riesig und wird von einer unaufhörlichen Fernsehleinwand im Hintergrund gesäumt. Hundert Angestellte arbeiten hier. Die ausgelassene, abendliche Partystimmung kann man sich hier leicht vorstellen.

Relaxt und freundich besucht uns Xiao Yu wie abgemacht, bleibt aber während des ganzen Gespräches am Tisch stehen. Er ist 24 Jahre alt. Sein Name, sagt er stolz, heißt übersetzt kleiner Junge Yu und sein Gemüt ist in der Tat sehr sonnig.

Xiao Yu´s Geschichte ist schnell erzählt. Nach dem Abitur hat er seine Heimat Qujing, eine Stadt im östlichen Teil der chinesischen Provinz Yunnan, verlassen, ist auf Reisen gegangen und 2012 in Lijiang hängen geblieben. Seine Freundin hat er in Lijiang kennengelernt. Sie arbeitet in einem Milchteegeschäft und ist, so der Zufall, sogar ein Mädchen aus seiner Heimat. Xiao Yu wohnt mit ihr zusammen in einer eigenen Wohnung, könnte aber auch eine Unterkunft in der Bar hier haben. Manchmal isst er zuhause, manchmal hier. Er hat sich über die Jahre vom kleinen Kellner fleißig zum Schichtleiter hoch gearbeitet, und der Aufstieg wird weiter gehen. „Den Fleiß habe ich von meinen Eltern gelernt“, sagt er. „Die waren arme Bauern.“ Er liebt es, in Lijiang zu sein und er liebt es, in dieser Bar zu arbeiten.

„Jeden Tag kann ich mit meiner Freundin zusammen sein. Ich habe keinen Stress und noch keine Sorgen.“

Einen Tag in der Woche hat  Xiao Yu frei und sein Lohn sind 5000 Yuan im Monat. In seiner Freizeit macht er mit seiner Freundin Ausflüge. „Mit Fahrrad, Taxi oder Zug.“  Hektik und Erfolgsdruck der Großstadt können hier nicht nach ihm greifen. „Ich bin optimistisch. Ich fühle mich glücklich“, sagt er, „und meine Freundin ist mit mir auch glücklich. Wir lieben uns.“ Er lächelt smart. Und Bo schmilzt.

Nur manchmal hat er Heimweh nach zu Hause und er überlegt: „Wenn ich Geld verdient habe, dann gehe ich vielleicht wieder zu meinen Eltern zurück und helfe ihnen.“ Aber jetzt wird erst mal geheiratet. Ende des Jahres. Die Eltern haben ihn überredet. Mit der Kinderplanung wird jedoch gewartet. „Noch zwei Jahre die Freiheit genießen“, sagt er. Sein Leben ist noch so schön leicht. Und  wenn du doch mal unglücklich ist, frage ich. Was ist dann? „Dann muss ich schweigen.“ Xiao Yu lacht. „Aber ich schweige nicht so lange.“

© http://china-blog.simone-harre.de

Share